Lesungsnotizen 2023-2024

Amerlinghaus Wien
« le temps qui passe »
6. Juni 2024

Eine zweisprachige Lesung in Wien: französisch und deutsch. Das Thema: « le temps qui passe » respektive »Verinnende Zeit«. Der in Wien lebende deutsch-französische Autor Pascal Tanguy sorgte für die Organisation und las ebenfalls aus seinem Prosawerk. Irène Génin-Moine war extra aus Frankreich angereist und trug aus ihren Büchern vor. Alle Texte, so war die Vereinbarung im Vorfeld, wurden auf Französisch ebenso wie auf Deutsch präsentiert. Für mich war es eine Gelegenheit, Gedichte aus Vermells/Röten/Vermeils zu lesen, weil mein katalanisch-deutscher Lyrikband von 2009 von Vincent Ozanam ins Französische übersetzt worden war.

Die Lesung fand im Obergeschoss des Amerlinghauses statt, in einem Raum, der üblicherweise für literarische Lesungen zur Verfügung gestellt wird. Ein klein wenig enttäuschend fand ich, dass trotz der Zweisprachigkeit der Lesung und entsprechender Ankündigungen gar keine Student*innen den Weg zu uns gefunden hatten. Schade. Nach der Literatur gab es für die Anwesenden noch Zeit für persönliche Gespräche, einen Snack am Buffet, und die Möglichkeit, die Bücher der Autoren zu kaufen.

Volkskundemuseum Wien
Die Rache der Sprache ist das Gedicht
13. September 2023

Die Grazer Autorinnen Autorenversammlung (GAV) blickt auf eine lange Tradition von Lyriklesungen zurück, die »Lyrik im März« heißt. Normalerweise findet sie auch im März statt, doch in diesem Jahr war das aus organisatorischen Gründen nicht möglich, also rutschte die Veranstaltung in den September. Und so kam es zu einer »Lyrik im September« oder besser »Lyrik am Mittwoch«, um dem gewohnten Namen nicht den Rang abzulaufen; als offizielles Motto wurde diesmal »Die Rache der Sprache ist das Gedicht« gewählt, ein Zitat von Ernst Jandl. Auch der Ort war ein anderer, denn die Lesung fand im Volkskundemuseum in der Wiener Laudongasse statt.

Wie gewohnt ist diese GAV-Lesung sehr gut besucht, und ein guter Teil des Publikums besteht aus Lesenden. Diesmal kamen dreiundzwanzig Kolleg*innen zum Zug, darunter bekannte Literaturgrößen wie Marie-Thérèse Kerschbauer, Renate Welsh, Manfred Chobot, Robert Schindel und Julian Schutting, ebenso wie weniger bekannte Lyriker*innen (wie ich). Die Präsidentin der GAV Ilse Kilic moderierte die Veranstaltung in gewohnt professioneller Weise und ließ immer wieder Hintergrundinformationen einfließen.

Aufgrund des unbeständigen Wetters fand der Lesereigen im Großen Saal des Museums (und nicht im Hof wie ursprünglich angedacht) statt. Die Fenster hatten wir geöffnet, doch die Schwüle an diesem Tag machte allen sichtlich zu schaffen. Die mehrmals wiederkehrenden Regenschauer brachten zumindest ein wenig Abkühlung, die dann etwas zögerlich auch in den Vortragssaal sickerte.

So viele Autor*innen zeigen stets ein breites Spektrum lyrischer Produktion unseres Landes auf. Da gibt es scherzhaften Wortwitz, engagierte Literatur zu gesellschaftspolitischen Themen, Naturästhetik, Liebesgedichte, kleine Geschichten Erzählendes, Alltagslyrik und Hermetisches, dessen Verse nicht so einfach zu knacken sind. Natürlich stehen allen Vortragenden jeweils nur fünf Minuten zur Verfügung – das wäre bei dieser Anzahl von Lesenden gar nicht anders möglich. Dennoch gewinnt das Publikum wertvolle Einblicke in das jeweilige Literaturschaffen, verschafft sich einen Überblick und lernt neue Lyriker*innen kennen. Das Publikum: Schriftstellerkolleg*innen, Freunde und Verwandte, und Interessierte, die sich von der Aussendung der GAV angesprochen fühlten und dieses Ereignis nicht ungesehen verstreichen lassen wollten.

Nach Abschluss der Lesungen hielten manche sich noch am Büchertisch auf, doch Hitze und Konzentration hatten ihren Tribut gefordert. So bildeten sich Grüppchen, die in die umliegenden Lokale strömten oder doch schon nach Hause fuhren.

Öffentliche Bibliothek der Gemeinde Strobl
am Wolfgangsee (Salzburg)
12. Juli 2023

Das Lesefest in der Öffentlichen Bibliothek blickt inzwischen auf eine langjährige Tradition zurück. Autor*innen, die einander zur Veranstaltung »Tage für Text und Kritik« am Wolfgangsee treffen, lesen mittwochs in der Bibliothek und stellen dem Publikum veröffentlichte oder auch unveröffentlichte Texte vor. Diesmal kamen die Vortragenden aus Vorarlberg, Salzburg, Niederösterreich und dem Burgenland. Das Lesefest wurde vom Klarinetten-Quartett HolzKlang musikalisch umrahmt und begleitet; gespielt wurden teils bekannte, teils weniger bekannte Musikstücke in ungewohnter Instrumentierung. Die Moderation der Lesung hatte Erika Kronabitter übernommen, die jedes Jahr die Text-und-Kritik-Tage leitet.

Elke Steiner begann den Lesereigen mit Auszügen aus ihrem jüngsten Roman Die Frau im Atelier. Als Zweiter an der Reihe, las ich anschließend die Kurzgeschichte der Trinker sowie zwei Gedichte aus dem Lyrikband Schwarzlicht. Der Salzburger Autor Wolfgang Kauer ist auch als Erforscher von prähistorischen Felsmalereien und -Reliefs tätig und verbindet dies mit seiner schriftstellerischen Tätigkeit; er las aus seinem umfassenden und reich bebilderten Buch Kult- und Schalensteine: Zeugen der Vorgeschichte in den Alpen und im Granit-Hochland und gab damit einen imposanten Einblick in diese Forschungstätigkeit. Simon Ludescher und Christina Strohmaier stellten kürzere Prosatexte vor, die in der jüngsten Anthologie der Literatur Vorarlberg mit dem Titel V#38 Täuschung erschienen waren.

Ein bunter Abend mit sehr unterschiedlichen literarischen Texten und Persönlichkeiten, begleitet von wunderbarer Musik – die Rückmeldungen des Publikums waren einhellig begeistert. Ihren Ausklang fand die Veranstaltung mit vielerlei Gesprächen über Literatur und persönliche Herangehensweisen der Autor*innen, und natürlich gingen auch mehrere Bücher über den Ladentisch. Die Bibliotheksleitung unter Michaela Grill hatte für diese kleine »Après-Lit-Party« Erfrischungen und Knabbergebäck bereitgestellt.

Autor*innen und Musiker*innen beim Lesefest in Strobl
Autor*innen und Musiker*innen (© Öffentliche Bibliothek Strobl)

Atelier Galerie 3A, Wien
25. März 2023

Es ist eine kleine und feine Galerie im Vierten Wiener Gemeindebezirk, mit einem geradezu unscheinbaren Eingang, der mehrere Stufen nach unten führt, sodass sich der Ausstellungsraum deutlich unter dem Straßenniveau befindet. Seit vielen Jahren wird hier Kunst ausgestellt, und der Inhaber, Karl (Charly) Rieder, legt großen Wert darauf, die bildnerische Welt auch mit Musik und Literatur zu kombinieren.

Anlässlich des im Vorjahr überraschenden Ablebens des Künstlers und Kulturaktivisten Manfred Zeller lud mich dessen Frau Eva ein, eine Lesung in memoriam zu halten. Den musikalischen Teil übernahm Gottfried Lindner, der, wie ich erfuhr, sein ganzes Leben lang mit Manfred befreundet war.

Ein paar Minuten nach dem offiziellen Beginn war »die Bude voll«, was keineswegs nur an der geringen Größe der Galerie lag. Vor allem Wegbegleiter*innen und Jugendfreund*innen von Manfred Zeller hatten sich eingefunden, um angesichts der ausgestellten Zeichnungen und Radierungen Erinnerungen wachzurufen und die Kunst zu pflegen. Meine eigene Erinnerung besteht aus drei Lesungen, die ich im Atelier Zeller in Stammersdorf sowie im Weinviertel halten durfte. Da die meisten Anwesenden einander seit Langem kennen, herrschte von Beginn an eine regelrechte »Bombenstimmung«, was für uns Auftretende immer eine ganz besondere Motivation bedeutet.

Für einen Teil des Programms hatte ich Rezitationen aus dem lyrischen Werk von Manfred Zeller vorgesehen. Ich trug aus seinem Buch Noch immer bin ich's vor und erinnerte dabei an seinen Vorschlag an mich, Gedichte zu seinen Aquarellen zu schreiben – was ich vor mehreren Jahren getan habe. Manfreds Gedichte enthalten zum Teil die gleichen Motive wie meine von damals, was mich des Öfteren still lächeln ließ. Diese Gedichte führen in die Landschaft rund um Stammersdorf und des niederösterreichischen Weinviertels, sie geben im wahrsten Sinne des Wortes farbige Impressionen und Stimmungen wieder.

Danach las ich eigene Kurzgeschichten und Prosatexte, etwa aus dem Buch Auf der Kippe, während Gottfried Lindner mit Gesang und Gitarre die gesamte Veranstaltung mit viel Gefühl einrahmte.

Natürlich nutzte ich die Zeit vor und nach der Lesung, um mir Manfreds ausgestellte Arbeiten anzusehen. Einzelne kannte ich bereits aus seinem Atelier, die anderen noch nicht. Ebenso waren ein paar Bilder und Objekte zweier weiterer Künstler zu sehen, nämlich von Editha Taferner und Erich Frey. Zu beiden wusste Charly Interessantes zu erzählen. Für den Ausklang war ein kleines Büfett vorbereitet, und die Anwesenden plauderten angeregt über Kunst, Literatur und zahlreiche Erinnerungen.