Ohne Gummi

Kurz- und Kürzestprosa und Kurzgeschichten. Geschichten aus dem Leben, Texte zu Missständen, Reflexionen und Gefühlvolles. Knapp 200 Seiten und zweiundsechzig Prosatexte enthält dieses Buch, dessen Prosaminiaturen auch buchsetzerisch sorgfältig gestaltet wurden.

Bestellung von Restexemplaren (15 EUR inkl. Versand):
E-Mail-Bestellung des Buches Ohne Gummi.


Abendstern

Mit zwei Fingern versuchte er den winzigen Punkt zu erfassen, bugsierte ihn zwischen die beiden Kuppen, während er das Gesicht auf der linken Seite verzerrte, als hätte er mit einer enormen Anstrengung zu kämpfen. Sekunden später – die Hand verharrte reglos in der Luft – schaute er zu uns und frohlockte, dass er nun alles im Griff hätte, sogar den Stern, von dem manche beteuern, er sei nicht immer Abend- und Morgenstern zugleich gewesen.

Normalität

Immer wieder sei es ihr aufgefallen, nicht nur in den Gazetten des Landes, sondern auch in der alltäglichen Sprache der Menschen, denn sie höre da sehr genau hin und wundere sich mitunter über die seltsamen Stilblüten, mit denen einer konfrontiert werde. Die Menschen verdrehten manches und kehrten die Bezeichnungen einfach um, denn wie sonst könne man erklären, dass jemand, der keine Zigarette anrühre, als Nichtraucher bezeichnet werde, so, als sei es völlig normal, ein Raucher zu sein, denn das gelte schließlich als das normale Wort in seiner Grundform, während Nichtraucher lediglich das Negieren eines Zustandes bezeichne, eines Zustandes, der von der Bevölkerung anscheinend als urwüchsig und vernünftig aufgefasst werde. Noch schlimmer sei es beim Antialkoholiker, denn nicht nur, dass abermals eine Verneinung sprieße, deute dieser Name sogar eine Gegnerschaft an, eine Konfrontation, die Personen, die keinen Alkohol trinken, ein gewisses Aggressionsverhalten gegenüber jenen unterstelle, die der Flasche sehr wohl zugetan seien – Gewalt also, die durch das Wort, das hier zur Verwendung kommt, suggeriert werde. Im Grunde verstehe sie nicht, dass Menschen mit einem sprachlich negativen Etikett versehen werden, bloß aus dem Titel heraus, dass diese sich einer bestimmten Tätigkeit oder gar eines fragwürdigen Lasters enthalten, aber sonst nicht das Geringste dazu beitragen, diese schon an sich etwas zynische Diskussion anzuheizen. Mit Bedauern stelle sie fest, dass sich hier die Einstellung einer Gesellschaft widerspiegle, eine von der Mehrheit getragene Grundüberzeugung, vielleicht sogar eine Ideologie, die im schlimmsten Fall mit geradezu religiösem Fanatismus verfochten und verbreitet werde, stets unter der Annahme bestimmen zu können, was richtig und falsch sei. Daher dürfe niemand sich wundern, dass sie jeden Tag damit rechne, etwa an ihrem Arbeitsplatz als Nichtmann abgestempelt zu werden. 

Schilf

Ich erinnere mich an die Brise, die jeden Morgen über den Küstenstrich blies, weil der Wind drehte. Jeden Morgen, so um sieben herum – beinah hätten wir die Uhr nach der Wetterfahne stellen können, die einen Schwenk zum Landesinnern vollzog. Etwa um dieselbe Zeit stiegen auch die Möwen auf, um im noch schwachen Sonnenlicht nach leichter Beute zu suchen. Nein, es waren keine Möwen und du korrigiertest: An einem Steppensee, sagtest du, gibt es keine Möwen. Es waren Reiher, Ibisse, die ihre Nistplätze im Schilfgürtel anlegten. Wie auch immer: Da flogen Vögel, und ich schaute, dass ich ins Bad kam. Vom ersten Tag an hatte mich irritiert, dass keine Straßengeräusche zu hören waren, ganz anders als sonst auf dem Land, wo man stets Motoren zumindest aus der Ferne vernimmt, Lastwagen, Motorräder und den Wechsel der Sommerfrischler. In manchen Augenblicken stellte ich mir vor, der Schilfgürtel, der um den See lag, würde jedes Geräusch schlucken, und was dennoch durchdränge, verlöre sich in den Weiten des sanft gewellten Wassers. In alten Zeiten, doziertest du, hätte sich das gesamte Leben am See orientiert, und das Schilf wäre zu Matten, Körben, Betten und was weiß ich noch allem verarbeitet worden; seine Nutzung hätte neben der Fischerei die Lebensgrundlage der hiesigen Bevölkerung gebildet. Oft sinnierte ich über das Gesagte und dachte an die Korbflechter, die nicht mehr existierten. Inzwischen wurde das Röhricht, wie das Rispengras auch heißt, eher in der Dämmstoffherstellung und in Pflanzenkläranlagen verwendet. Natürlich verriet der seichte Steppensee nichts dergleichen. Jeden Morgen blickte ich zum Fenster hinaus, über die Myriaden Blütenährchen hin zur Wasseroberfläche, die im noch schwachen Sonnenschein schimmerte. An einzelnen Stellen schlugen die Fische Wellenringe, so, als betupften sie mit ihrem Maul eine riesige, empfindliche Membran. Daran erinnere ich mich. 


Rezensionen

(...) Ungeschminkt, jedoch fast immer mit einem Schmunzeln, erzählt Klaus Ebner von der Flugangst, dem Geschlechterkampf, bringt seine Gedanken zu Umwelt, Staatsformen, der Sprache, dem sozialen Umfeld zum Ausdruck. (...)

Bestechend finde ich auch die Hinterfragung des Autors sein Schreiben betreffend. Ich weigere mich das Wort »Geschreibsel«, wie es Klaus Ebner nennt, zu verwenden.

In Überdruss fragt sich der Autor, »ob seine Kritiker nicht die Literatur mit Tageschronik verwechselten, die Schriftsteller mit Journalisten«. Und dem Entschluss, »hinkünftig in seinen Texten nur mehr Belangloses zu thematisieren«, kann ich keinen Glauben schenken. Enthält doch dieser Prosa-Band eine Fülle von brisanten Themen, verpackt in einer wohl gewählten literarischen Form, welche die Leser sicherlich begeistern wird.

Petra Sela
Literarisches Österreich 2013/2, Wien 2013, S. 47 f.


Bestellung

Im Buchhandel ist das Buch vergriffen.

Restexemplare können bei mir bestellt werden: E-Mail-Bestellung des Buches Ohne Gummi.


Covergestaltung:

Das Cover wurde vom Arovell-Verlag unter Verwendung eines Fotos von Paul Jaeg gestaltet.