Röten (Vermells)
J.N. Santaeulàlia: Als Lyriker bevorzugt Klaus Ebner die Kurzform, bei der das Wort, auf wenig Raum verdichtet, gezwungen wird, die ganze Palette seiner Bedeutungen aufzufächern. Es sind nackte und entflammte Worte, phonetische und semantische Glanzstücke voller Suggestivkraft, die sich geheimnisvoll zu neuen, hell glühenden Konstellationen verbinden.
Die Verse fügen sich flüssig aneinander, mit unerwarteten, überraschenden und erhellenden Assoziationen, bis sie ihren Höhepunkt in einem abschließenden Bild finden. Auf diese Weise reiht sich, subtil verkettet, Gedicht an Gedicht und enthüllt uns die Innenwelt des Dichters.
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(1)
Genesis des Feuers
ausgedacht
in einem tränenvollen Glas
von weit gekommen
setze ich mich
betrachte die Flammen
in meiner Hand
(2)
eine Hand aus Regen
voller Hitze
ein Lavastrom berührt uns
verbrennt die Haut und
läuft in einen winzig kleinen Punkt
wo
in einem Höllentanz
Kristalle ganz aus
Schnee sich herzen
(3)
der Schnee vom Kopf
nicht fällt
und stumm beginne ich zu spüren
dass meine Stimme
flüchtig ist
(4)
mysteriöse Flüchtigkeit
in einem Herzen warten Schläge
auf die Wiederkehr des Rufes
aufgestiegen aus der Heimlichkeit
Erhöhung einer anderen Welt
gefangen
mit geschlossenem Auge
das vom Singen träumt
(5)
Gesang des Feuers
dem Akt entlehnt
süßes Schiff
ganz nah am Ohr
(63)
die Schnelligkeit der Luft Fragen im Wohnhaus die Sinnlichkeit eines Kugelschreibers Fragen auf der Treppe das Probieren des unablässig kläffenden Hundes der Nachbarin Fragen auf der Straße die Standhaftigkeit der Gerüche Fragen im Park du beginnst zu erkennen warum sich Gedichte nach der Wärme der Kapsel sehnen Fragen überall die Hitze der Anspielung Fragen der Rückkehr und du weißt dass nur Unbedeutendes Fragen stellt
(64)
die greifbarste Frage das Vorrecht blind trotz höchster Sorgfalt eine Eingebung erhebt sich in tausend Mäandern bittersüß nüchtern seine Konsistenz ist ein Puzzle Regenschauer schlecht verstandener Disziplin ein überaus feierliches Wunder es regnet widersprüchliche Antworten auf ein Feld voller Klatschmohn am Morgen und am Abend greift der Dichter zum Blatt
(65)
der Dichter hebt die Nase
gedankenversunken
jede Veränderung wird zur Beobachtung
der Dichter wacht
unentschlossen
die andern sagen er schnüffelt herum
schroffe Stimmen hallen wider
der Dichter weiß
dass er der Herr der Weile ist
Rezensionen
(...)Dieser Gedichtzyklus beginnt und endet mit dem Wort »Genesis«. Dieser Umstand verweist zum einen auf die symbolisch-mystischen Deutungen der roten Farbe als Feuer und Blut (mit allen darin liegenden Assoziationen von Zerstörung und Lebenskraft, Tod und Geburt), zum anderen aber auf den überlegten und symmetrischen Aufbau des Buches. (...)
Die Gedichte in »Röten« sind eigentümlich schwebende Bilder, in denen sich Sinnlichkeit und Gedankentiefe auf eigenartige Weise durchdringen, so dass die Emotion immer geistig gefiltert und der Intellekt stets emotional aufgeladen erscheint. (...)
Beispiele (natürlich) sprachlichen Humors tauchen in der Mitte des Buches auf. Hier jongliert der Autor übermütig in beiden Sprachen mit der Orthographie und zeigt zum einen, wie man erstens als Leser trotz solcher Stolpersteine den roten Faden nicht verliert, und zum anderen, wie viele Möglichkeiten in den Worten lauern und durch kleine Operationen freigesetzt werden können. (...)
Dieses vom katalanischen Verlag auch in Layout und Typographie exquisit gestaltete Werk lädt ein, Klaus Ebner auf verschiedenen in der deutschen Lyrik eher wenig betretenen Pfaden zu folgen.
Wolfgang Ratz
Literarisches Österreich Nr. 2009/2, Wien
(...) Die Gedichte werden optisch ansprechend präsentiert, beide Versionen auf einer Seite, quer zueinander stehend, von einem roten Einband umfasst, passend zum Titel. Ein Buch, das üblichen ökonomischen Ansprüchen trotzt und gleichzeitig schön gemacht ist.
In ihm folgen kleine Blitze aufeinander, wie Kettengedichte miteinander verbunden. Ein Wort aus der letzten Zeile des vorigen Gedichts wird in der ersten Zeile wieder aufgeworfen und neu fortgesetzt. So entsteht aus den Miniaturen ein zerbrechliches Mosaiknetz, das vorsichtig zusammengefügt wird. (...)
Martin Dragosits
Kultur-Online, Bregenz (AT)/Binz (CH) 16.09.2009
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Covergestaltung:
Das Cover wurde von Christof G. Pelz unter Verwendung eines Fotos aus der Corel Photo Collection gestaltet.